Es war ein warmer und angenehmer Morgen als Aaron Kowalski wieder mit seiner Wache dran war und auf den Wachturm stieg. Im Dunkeln konnte man eh nicht viel erkennen, da sie über kein Nachtsichtgerät verfügten, aber das hatten sie bis dahin auch noch nicht gebraucht. Hin und wieder blieb er dort oben über Nacht, aber da sie in der Vergangenheit noch nie außer am Tage, Ärger bekommen hatten, war es nicht zwingend notwendig. Kowalski war diese Woche dran und er mochte die Arbeit dort oben schon ganz gern. Ansonsten mußte man, wenn man wie er zur offiziellen Wachmannschaft gehörte, endlose Runden um das abgezäunte Areal fahren oder meistens besser gesagt gehen, weil der Sprit rationiert wurde weil er langsam knapp wurde. Für Notfälle hatten sie rund 800 Liter gebunkert aber niemand wusste auch, ob sie nicht irgendwann alle abhauen mußten, weil die Untoten schon überall auftauchten. Noch kamen sie nur vereinzelt und Kowalski und die anderen schliefen noch alle recht tief und fest. Aber das sollte sich bald ändern. Der letzte funktionierende Sender aus Boston hatte am Vortag angekündigt, dass die restliche Nationalgarde nicht mehr gegen die Massen der Toten ankam und die Munition knapp wurde. Die Leichenberge in den Großstädten konnten langsam nicht mehr beseitigt werden, da die Kühlhäuser überfüllt waren und außerdem die Helfertrupps immer häufiger auch am Tag von größeren Gruppen dieser sabbernden Zombies angegriffen wurden. Meistens dann, wenn sie die Leichen auf die Lastwagen oder in die Kipplader verfrachten wollten. Aus allen möglichen Löchern kamen sie gekrochen und verbanden sich immer wieder zu größeren Meuten, die wahllos über alles und jeden herfielen. Kowalskis Eltern und die Schwester lebten in Boston, aber er hatte schon lange nichts mehr von ihnen gehört. Außer dem Radio hatten sie sonst keinerlei Verbindung zur Außenwelt. Die zweite Enklave im Westen funkte nur noch unregelmäßig und scheinbar konnten sie nur noch funken aber nicht mehr empfangen. Also mußten sie allein durch die schweren Tage kommen, die noch vor ihnen lagen. Es war keine Rettung in Sicht.
Wielange sich die rund 120 Menschen noch hinter dem Maschendrahtzaun, der früher der Deponie als Umzäunung diente, verstecken und schützen und sich diese Monster vom Leib halten konnten, wusste niemand von ihnen. Jeden Tag kamen vereinzelt Flüchtlinge, die sich dahinter retteten und die Untoten ließen sie einigermaßen in Ruhe gewähren. Doch Kowalski hatte das so seine eigenen Theorien. Es sah für ihn so aus, als wenn diese Monster die restlichen Menschen alle versammelt haben wollten um einen gedeckten Tisch auf einmal vorzufinden, aber soviel Hirn war ihnen doch kaum zuzutrauen. Soviel Intelligenz konnten sie eigentlich nicht aufbringen, dachte er wieder. Doch seine Gedanken und Ängste wollte der Führer, ihrer kleinen Schar , Leutnant Miller nicht hören. Er hatte seine eigenen Strategien im Kopf und wollte das Camp hingegen militärisch aufrüsten aber die Waffen und andere Ressourcen fehlten ihm dazu. Im ganzen verfügten sie über ungefähr fünfzig Gewehre und 450 Schuß Munition sowie über dreißig Handfeuerwaffen mit zusammen 1.000 Schuß Munition aber ansonsten hatten sie nur Äxte und Messer zur Verteidigung. Diese wandelnden Toten konnte man nur mit einem gezielten Kopfschuss töten oder wenn man den Schädel zermatschte, aber dazu mußte man erste einmal nahe genug an sie heran kommen. Und da selten einer alleine auftauchte, war es recht schwierig ungeschoren davon zu kommen. Selbst wenn man ein ganzes Magazin in diese stinkenden Körper entleerte, zeigte es keine Wirkung. Wie ein Sandsack schluckten sie die Patronen ohne das etwas passierte. Es gab keine schweren Waffen oder Flammenwerfer, keine MGs oder Mörser im Lager. Somit konnten sie nur hoffen, dass diese Viecher nie im Rudel angreifen würden. Das einzige was sie bis dahin zurück gehalten hatte, war der zwei Meter hohe Maschendrahtzaun und der dahinter liegende Graben, aber das war es auch schon. Die wenigsten der Leute hatten eine Art militärische Ausbildung oder Schießlehrgang absolviert und kaum einer konnte eine Katze auf fünf Fuß treffen. Kowalski grübelte wieder über andere Lösungen nach und kletterte währenddessen auf der Außenseite des gemauerten fünf Meter hohen Turms hinauf. Die metallenen Sprossen klickten bei jedem Tritt.
Man konnte nur von außen in der engen mit Metallstreben umgebenen Röhre dort hoch. Es gab innen nur einen Hohlraum und der war einzig von oben zu erreichen. Eine kleine Kammer mit einer Matratze und einer Lampe. Eine hölzerne Luke, zwei Stufen hinab und schon war man drin. Kowalski legte sein Scharfschützengewehr an die Seite und griff nach einer Zigarette, nachdem er seinen kleinen Rucksack abgelegt hatte. Noch war es nicht zu heiß und die dunklen Wolken würden bald weg ziehen, dachte er. Vielleicht später noch ein Sonnenbad, warum auch nicht? Er hatte ja viel Zeit bis zur Ablösung. Die umliegenden Bäume innen und außerhalb des Geländes, welches rund 100 Hektar betrug, hatten sie alle gefällt. Einmal wegen der besseren Rundumsicht und zweitens auch als Brennmaterial für die Öfen der Campingwagen und Hütten. Somit gab es keine Chance auf ein Stück Schatten, außer unter den Zelten und Sonnensegel, die aufgestellt waren auf dem Areal. Noch hatten sie für einen Monat Wasser aber was dann passierte, wusste auch Leutnant Miller nicht zu sagen. Immer wieder versuchte Cookie, der Funker im Lager, die noch einzig funktionierende andere Anlage, weiter im Westen zu erreichen, aber entweder waren die schon alle totes Fleisch oder sie konnten sie nicht hören. Durch Zufall hatten sich die beiden Funker der Lager auf den vielen Kanälen der Funkgeräte vor geraumer Zeit gefunden und tauschten ihre Erlebnisse und Neuigkeiten aus. Auch die anderen hatten so etwas wie einen Wachturm, aber der war nach ihren Angaben, nicht so einfach konstruiert wie dieser. Dafür hatte er aber auch mehr Schwachstellen, wo die Bestien angreifen konnten. Aber nun schwieg die Kanäle und man konnte nur das Beste für die anderen hoffen. Kowalski wollte es sich gerade so richtig gemütlich machen, als er in der Ferne einige Gestalten wahrnahm, die langsam aber stetig näher kamen. Sie torkelten und stapften unkoordiniert voran, also waren es Untote. Das hätte ihn sonst kaum beunruhigt aber dann blickte er sich um und bemerkte sie auf allen Seiten des Lagers. Erst vereinzelt, dann zu zweit, zu dritt oder sogar in größeren Gruppen, kamen sie auf das umzäunte Gelände zu gestolpert.
Aaron wollte erst noch abwarten, das hatten sie schon ein paar Male erlebt und die Zombies waren nach einer Weile, wieder abgerückt, deshalb wollte er die Sache in Ruhe beobachten, bevor er die Leute verrückt machte. Die Frauen und Kinder hatten sowieso schon genug Angst. Wenn es hart auf hart ging, standen zusammen gerechnet, vielleicht fünfundvierzig Männer und Knaben, dem Heer der Toten entgegen. Viel zu wenig um sie auf Dauer zu bekämpfen. Doch daran wollte er im Moment nicht mehr denken. Er zog sein T-Shirt aus und nahm ein Sonnenbad. Die Wolken waren weg gezogen und eine wohlige Wärme machte sich breit. Die Zombies konnten noch warten.
Unterdessen kam Jack Frazer, der zweite Mann im Lager mit seinem Fahrer, ein junger Mann namens Petrovko, im Jeep von einer längeren Patrouille, außerhalb des Lagers wieder zurück. Schnell öffnete sich das Tor und der Wagen rauschte in einer Staubwolke hinein. Im letzten Moment konnten die drei Männer am Tor, dieses wieder verschließen bevor einige der draußen stehenden Toten herein kamen. Sofort fuhren die beiden direkt zu der Hütte des Kommandanten Miller. Frazer prüfte noch einmal den Verband, den er seit ein paar Stunden um die linke Hand gebunden hatte und dann stieg er aus.
„Juri, Du kannst schon essen gehen. Und wasch Dich dann, Du stinkst ja noch schlimmer als ich. Wir sehen uns später. Werde dem „Alten“ Bericht erstatten! Und Juri, halt die Klappe, okay?“
Frazer blinzelte kurz. Der Junge nickte und fuhr dann weiter auf den mittig gelegenen Parkplatz, wo die anderen sechzehn Fahrzeuge, meist alte Kisten standen. Dann freute er sich auf ein gutes Frühstück. Frazer ging durch die beiden offenen Flügeltüren ins Hauptquartier und traf Miller im hinteren Raum, wo dieser an einem längeren Tisch saß und über geographische Karten brütete. Als er Frazer sah, stand er grinsend auf.
„Hi, Sergeant Frazer. Freue mich, dass Ihr beide gesund wieder zurück gekehrt seid“
Als er ein kurzes Stirnrunzeln bei Frazer bemerkte, sagte er:
„Seid Ihr doch, oder? Ist was passiert?“
Frazer setzte sich auf den zweiten Stuhl und hielt kurz seine verbundene Hand hoch.
„Nichts Schlimmes. Ich habe mir nur die Hand verletzt als ich ein Straßenschild wieder aufrichten und nachsehen wollte.“
Miller nahm eine Kanne mit heißem Kaffee von dem Tisch hinter sich.
„Wollen Sie auch einen?“
Frazer verneinte.
„Sergeant. Jack, ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, daß ich Sie hier dringend brauche und froh bin, Sie wieder bei mir zu haben. Ansonsten gibt es im Lager höchstens acht, vielleicht zehn Männer, die ich richtig einsetzen kann. Das andere sind alles Zivilisten, die keine Kuh treffen, selbst wenn sie direkt vor ihnen steht. Trotzdem werde ich Sie jetzt einmal fragen und dann nicht wieder. Ist diese Verletzung wirklich davon oder doch von einem Biß dieser Monster?“
„Sie können mir glauben, Leutnant. Ich bin okay. Alles in Ordnung.“
Merklich entspannter grinste Miller wieder.
„Dann bin ich wirklich erleichtert. Ich habe große Pläne, wissen Sie? Wenn alles klappt, werden wir hier bald abhauen und uns zur Westküste durchschlagen. Habe schon alles durchgesponnen. Was halten Sie davon?“
„Warum dieses sichere Lager aufgeben? Hier können diese Biester doch nicht rein. Warum nicht hier aushalten bis Verstärkung eintrifft?“
„Es wird wohl keine geben, Jack. Ober haben Sie dort draußen etwas anderes erfahren?“
„Nein, sah leider wirklich nicht so aus aber wir dürfen nicht aufgeben, irgendwie muß es doch weiter gehen. Wenn wir noch eine Weile hier ausharren, werden wir bestimmt...“
„Das ist es ja. Wir haben keine Zeit mehr, Sergeant. Die Lebensmittel gehen zur Neige und das Wasser wird auch nicht ewig reichen.“
„Na gut, Sie sind der Boss. Dann werde ich mit Juri eine Liste der Fahrzeuge machen, damit wir so viele wie möglich von den Leuten rein kriegen. Das Benzin wird gerecht aufgeteilt und dann...“
„Hören Sie doch zu. Wir nehmen nur drei Fahrzeuge mit.
Die Besten habe ich schon farblich mit einem schwarzen Strich auf dem Heck markieren lassen. Sie sind voll getankt und haben Wasser sowie Proviant für eine Woche an Bord. Des weiteren genug Munition für die erste Zeit, wenn wir unterwegs sind. Dann können wir uns mehr beschaffen.“
„Und die Zivilisten, wollen Sie ihrem Schicksal überlassen?“
„Die wären doch nur hinderlich und würden uns aufhalten. Sollen die hier bleiben und auf Hilfe warten.“
„Die werden nicht lange ohne uns überleben, das wissen Sie doch, oder?“
„Ja, mag sein. Aber ich will hier nicht verrecken, Jack. Wenn wir hier bleiben, sterben wir alle. Das ist Ihnen doch klar?“
„Die ganze Welt geht langsam zum Teufel. Wer weiß, wie viele es noch außer uns bis heute geschafft haben zu überleben und Sie wollen die paar Leute hier auch noch im Stich lassen?“
„Entscheiden Sie sich, Sergeant. Sie können ja hier bleiben, wenn Sie den herzigen Samariter spielen wollen. Hier bleiben und sterben. Oder noch die Chance bekommen, viel länger zu leben und mit uns kommen.“
„Schon gut, ich komme mit, aber ich finde es nicht fair den anderen gegenüber.“
„Finden Sie es wie Sie wollen, aber wir hauen ab. Sie werden es nicht bereuen, glauben Sie mir!“
„Wann soll es losgehen? Und wohin?“
„Ich wollte in zwei Tagen, nachts aufbrechen und in Richtung Cleveland an den Erie-See. Dort soll es angeblich noch einzelne Enklaven von Menschen geben, die sich wehren. Hauen Sie sich jetzt aufs Ohr. Ruhen Sie sich noch solange aus, bis wir abziehen. Wir müssen uns einer List bedienen, um diese Greenhörner da draußen zu überzeugen, sonst gibt es einen Aufstand im Lager. Also, bis dahin, die Namen der Teilnehmer werden Sie noch von mir rechtzeitig erfahren.“
Miller drehte sich wieder zu seinen Karten um und deshalb sah er nicht, wie Frazer seine Hände zu Fäusten ballte, als er aufstand und hinaus ging.
Nach drei Stunden schreckte Kowalski hoch und er konnte zuerst nicht glauben, was er sah. Rings herum war die Anzahl der Untoten sehr schnell angewachsen und es schien, als wenn sie entweder durch etwas angelockt kamen oder sich verabredet hatten an diesem Ort. Obwohl er so ein kompliziertes Gedankengeflecht ihnen nicht zutraute. Außer einem unermeßlichem Heißhunger auf Frischfleisch, trieb sie nichts anderes voran. Am liebsten wählten sie sich dafür lebendige Menschen aus und fraßen selten Aas, so die allgemeine Meinung von allen, die mit ihnen schon zu tun hatten. Sie reihten sich in immer größerer Anzahl an dem hohen Maschendrahtzaun und drückten unkontrolliert gegen die eisernen Maschen. Wenn die Menschen in diesem Moment einen Ausbruch versucht hätten, wären sie wahrscheinlich noch davon gekommen aber sie warteten weiter ab. Was sollten sie auch sonst tun. Kowalski wusste, dass sie soweit noch sicher in dem Lager waren aber eine undefinierbare Unruhe überkam ihn doch. Er stellte sich gedanklich vor, was passieren würde, wenn das Tor gestürmt würde und diese große Anzahl der freßgierigen Monster auf einmal herein kommen sollte. Doch diesen widerlichen Gedanken schüttelte er schnell wieder ab, weil er wollte, dass die Gänsehaut auf seinen Armen schnell verschwand. Er meldete das Gesehene an Miller weiter, der über Funk nicht reagierte, aber sein Adjutant, Sergeant Frazer ging nach einer Weile an das Walkie-Talkie.
„Hier Ausguck Kowalski, Sir. Habe feststellen müssen, dass sich seit ein paar Stunden die Anzahl der Zombies ziemlich erhöht hat. Die scheinen sich zu sammeln und auf irgendwas zu warten. Haben sie dazu Befehle, Sir?“
„Hören sie zu, Kowalski. Im Moment sollen wir noch nichts machen, hat Leutnant Miller gesagt, aber bleiben sie am Ball. Beobachten sie die Entwicklung bis heute Abend weiter. Wenn sie meinen, die Lage wird unübersichtlich, melden sie sich wieder, okay?
Frazer Ende.“
„Kowalski, verstanden! Ende.“
Wie ihr wollt, dachte Aaron und legte das Funkgerät wieder zur Seite.
Noch einmal schaute er durch sein Fernglas in die Runde und wie erwartet, sammelten sich immer mehr von den Kreaturen am Zaun und sie standen dicht gedrängt und drückten gegen den Draht, als wenn sie Hoffnung hatten, irgendwann würde er nachgeben.
Frazer begab sich ein paar Stunden später, nachdem er seine Hand nochmals hatte verbinden lassen, gleich danach zu Miller in das Hauptquartier. Nachdem er einen Moment durch die einzelnen Räume gestromert war, ging er zum Leutnant. Miller stand vor ein paar zusammen geschobenen Tischen, auf denen mehrere Gewehre und Pistolen, teilweise auseinander genommen, ausgebreitet lagen. Ein wenig von der großen Auswahl erstaunt, versuchte er in einem gelassenen Ton mit dem Anführer zu sprechen.
„He, Mann. Sieht ja gefährlich aus. Willst Du auf Großwildjagd gehen, oder was?“
„Für Sie immer noch, Leutnant Miller, verstanden, Sergeant? Aber zu Ihrer Frage, ja, so könnte man es wohl nennen. Großwildjagd. Nur nicht auf Tiere sondern auf verweste Zombies werde ich schießen. Und so viele wie möglich ausradieren.“
Frazer verstand diesen barschen Ton von Miller nicht gleich. Er schob diese Anwandlung auf das Bestehen des Ranges, auf die Nervosität oder auch Hilflosigkeit des Leutnants. Obwohl er ihn vorher kaum einmal in seinem Leben nervös gesehen hatte. Seine Hand juckte schrecklich und er hielt sie vor Miller so gut verborgen wie es ging.
„Schon gut. Also Leutnant Miller. Wann soll es also genau los gehen?“
„Sagte ich das heute nicht schon?“
„Natürlich, Sir, aber der aktuelle Ausguck hat mir berichtet, dass die Anzahl der Schleimer, erschreckend schnell zugenommen hat und wir vielleicht in ein paar Tagen nicht mehr hier raus kommen.“
„Quatsch. Wir werden sie zerfetzen, wenn das Tor aufgeht. Ein paar gute Garben in diese verwesten Leiber und sie fliegen auseinander. Es bleibt bei meinem Plan, verstanden?“
„Ja, Sir.“
„Sonst noch etwas, Sergeant?“
Miller hatte sich mittlerweile umgedreht und sah nun seinen Untergebenen das erste Mal seit der Unterhaltung direkt an.
„Sie scheinen zu schwitzen. Haben Sie vielleicht Fieber? Waren Sie schon beim Sanitäter?“
„Ja, Sir. Ist kein Fieber. Bestimmt nicht. Bin schon seit Tagen in den gleichen Klamotten und bräuchte endlich mal eine Dusche. Wenn Sie erlauben, ziehe ich mich dann zurück!“
„Natürlich, Frazer. Gehen Sie duschen um Gottes Willen. Hauptsache, Sie sind morgen wieder fit. Gute Nacht.“
„Nacht, Sir.“
Frazer verließ den kleinen Gebäudetrakt und begab sich anstatt zu den Duschen, direkt zu den Mannschaftsunterkünften , wo auch sein Fahrer Juri schlief. Der hatte ihn treu und sicher, zwei Tage durch die Einöden der Wälder und verlassenen Kleinstädte gefahren hatte. Aber auch Juri konnte Frazer nicht vor dem hinterlistigen Angriff in den Dorf vor achtzehn Stunden schützen. Erst als der kleinwüchsige Zombie, der mal ein Junge war, ihn in die Hand gebissen hatte, war Juri da und erschoß den Bastard.
Anstatt Getränke, die sie dort erwartet hatten, war der Kleine aus der Kühltruhe aufgesprungen und hatte sofort zu gebissen. Während er vorbei an den meist schon dunklen Hütten und Zelten ging, dachte er nochmal an das Gespräch mit Miller. Der Spinner war verrückt geworden. Auch wenn Frazer und Juri nun sofort verschwinden würden, wäre der durchgeknallte Miller ihnen sofort auf den Fersen. Es mußte etwas geschehen und sie hatten nicht mehr viel Zeit. Er schlich sich an die Koje von Juri heran und schüttelte ihn sanft. Dieser schreckte hoch, sagte aber keinen Ton als er Frazer sah. Denn der hielt den Zeigefinger seiner noch intakten Hand vor den Mund und deutete damit an, das er ruhig sein sollte. Die anderen schlafenden um sie herum, schnarchten weiter.
Frazer flüsterte ihm ins Ohr.
„Wir müssen heute Nacht abhauen. Der Leutnant dreht langsam durch. Wenn wir nicht heute gehen, kommen wir hier überhaupt nicht mehr weg. Bist Du dabei, Junge?“
Juri überlegte nur kurz und nickte dann zustimmend.
Ohne viel Geräusche zu machen, nahm er seine paar Habseligkeiten und folgte dann Frazer nach draußen. Als sie vor die Tür kamen, blieb Frazer einen Moment lang stehen, länger als normal nötig. Juri sah die Schweißperlen auf der Stirn des Sergeants.
„Ist alles in Ordnung mit Ihnen? Was macht die Handverletzung, Sir?“
„Es geht schon, danke Juri. Bin ein bißchen geschwächt, deshalb bin ich froh, dass Du mitkommst.“
„Wer ist noch dabei?“
„Nur wir beide!“
„Aber wieso, was ist denn...?“
„Wenn wir noch mehr Leuten Bescheid sagen, können wir einpacken. Der Leutnant will erst in ein paar Tagen aufbrechen mit einer ausgesuchten Schar, aber dann sind wir längst im Arsch. Der Ausguck hat mir vorhin gemeldet, dass diese verdammten Zombies schon in Massen um das Lager herum stehen und wir kaum noch raus kommen. Sieh Dich doch um. Hörst Du nichts?“
Er stöhnte und dann beugte sich Frazer herunter und stützte sich so gut es ging auch mit der verbundenen Hand, auf seine Oberschenkel ab als wenn er starke Schmerzen hatte. Juri versuchte sich im Dunkeln umzusehen und anstatt etwas zu sehen, hörte er nur ein seltsames Hintergrundmurmeln.
„Was ist das, Sir?“
„Das sind diese Viecher, Juri. Es werden immer mehr und wir... wir müssen unbedingt weg von hier. Ist der Hummer voll getankt?“
„Ja, Sir. Aber der ist doch für Leutnant Miller bestimmt. Können wir den so einfach nehmen?“
„Nicht so einfach, aber wir werden es tun. Machen Sie alles fertig für die Abfahrt, wir treffen uns am Wagen in fünfzehn Minuten. Hier, ich habe die Schlüssel gestohlen.“
„Ist wirklich alles okay, Sir?“
Frazer kam mit schmerzverzerrtem Gesicht wieder hoch.
„Ja verdammt. Nun gehen Sie schon. Wir haben wirklich nicht mehr viel Zeit.“
Juri rannte durch die Dunkelheit des Lagers um noch einige Dinge zu besorgen, die sie während der Fahrt brauchen würden, während Frazer sich die Brust haltend, zurück zum Hauptquartier begab. Sein Plan war einfach aber auch gefährlich. Miller hatte immer mindestens vier seiner persönlichen Garde um sich im Gebäude und Frazer fühlte sich gelinde gesagt, nicht gerade topfit. Seine Hand juckte inzwischen so sehr, dass er den Verband abgerissen hatte, worunter gräuliches Fleisch zum Vorschein kam. Ihm war heiß und seine Knochen schmerzten eigentlich bei jeder Bewegung, seitdem er Juri aufgesucht hatte. Auf keinen Fall lies er den Gedanken zu, dass er von der Seuche infiziert sein könnte. Nicht Jack Frazer, der stahlharte Soldat vieler Schlachten. Und selbst wenn, würde er dagegen ankämpfen und sie besiegen, dachte er. Er konzentrierte sich wieder auf seine Aufgabe und zog beim weiter gehen, seine 45er Automatik aus dem seitlichen Gürtelhalfter. Seine Schritte wurden mühsamer und mit aller Kraft hielt er die Richtung als er auf den noch beleuchteten Eingang der Hütte zu kam. Da trat ihm Lancaster, einer von Millers Leuten entgegen.
„Frazer, mein Gott. Wie sehen Sie denn aus? Sind Sie verletzt?“
Ohne ein Wort schoß Frazer ihn nieder und ging dann weiter ins Innere. Als erster hörte Kowalski den lauten Knall und sofort schaute er mit seinem Fernglas hinüber zum Hauptquartier. Er dachte im ersten Moment, an einen Einfall der Monster aber es war keiner von den Toten zu sehen. Dafür konnte er erkennen, wie eine Gestalt in das Hauptquartier hinein stolperte. Am Eingang sah er eine weitere Gestalt, aber am Boden liegend und reglos. Was war dort unten nur los?, fragte er sich.
Frazer ging Raum für Raum ab und dann wollte ihn Leech, der alte Haudegen aufhalten, aber Frazer knallte auch ihn ohne zu zögern nieder. Dann schaute Jaro Mikada um die Ecke und erwiderte das Feuer. Zwei Schüsse gingen knapp daneben aber einer traf Frazer in seinen gesunden Arm.
Er wechselte schnell den Griff in die gräuliche Monsterhand, aber sie gehorchte nicht so gut wie die gesunde. Irgendwie schaffte er es aber dann doch, das restliche Magazin auf Mikada abzufeuern und ihn zu töten.
Das Ersatzmagazin war kaum gewechselt als Miller vor ihm stand.
„Frazer, bist Du völlig übergeschnappt, oder was? Leg sofort die Knarre weg, sonst...!“
Die Stimme von Frazer, die den Satz von Miller unterbrach, war rauh und heiser zugleich.
„Was dann, Leutnant? Ich bin immer noch Sergeant und keiner von Deinen Kriechern, großer Anführer. Fick Dich ins Knie mit Deinen hirnrissigen großen Plänen!“
Gerade als Miller sein Sturmgewehr heben wollte, drückte Frazer ab. Zwei Schüsse knallten gleichzeitig los. Kowalski beobachtete noch immer das Hauptquartier nervös und die Schüsse hatten sich nach dem ersten fortgesetzt. Kurz darauf sah er wie ein Mann wieder heraus getaumelt kam. Es schien der gleiche zu sein, den er anfangs gesehen hatte. Ob dem Leutnant Miller etwas zugestoßen war?, fragte er sich immer wieder. Aber er durfte seinen Beobachtungsposten nicht so einfach verlassen. Auch wenn seine Schicht eine halbe Stunde später zu Ende war. Lohfeld sollte ihn dann ablösen, aber Pünktlichkeit war nicht dessen Stärke, wie Kowalski wusste. Es hielt ihn kaum noch auf dem Turm. Nervös schaute er wieder durch das Fernglas. Er konnte noch sehen, wie der Mann in Richtung des Fuhrparks torkelte und dann schwenkte Aaron wieder hinüber zum Zaun. Dort hatten sich die Massen der Untoten immer mehr angesammelt und nun zerrten und wackelten sie an dem hohen Drahtzaun herum. Sie heulten und grunzten laut durch die Nacht, so dass die anderen im Lager zuerst annahmen, die Schüsse galten den Zombies, die um das komplette Lager in großer Anzahl verteilt standen. Angst machte sich langsam breit. Als Kowalski wieder zurück schwenkte, war der einzelne Mann verschwunden, dafür fuhr nun aber der Wagen des Anführers- Leutnant Miller, der in Tarnfarbe gehaltene Hummer in Richtung Eingangstor.
Dort waren in der Zwischenzeit ein Dutzend Männer versammelt, die alle nervös dem Treiben der toten Meute vor ihnen zuschaute. Sie wußten nicht, wie sie darauf reagieren sollten. Kurz vor dem Tor hielt nun der Hummer mit blockierten Reifen und die Staubwolke verhüllte zuerst die Stimme, die von dem Mann kam, der auf dem Beifahrersitz hockte.
„Macht sofort das verdammte Tor auf. Na los.“
Obwohl sie ihn nun erkannten, machte keiner der Männer Anstalten, dem Befehl zu folgen. Da zog Frazer umständlich seine Waffe heraus und drohte ihnen damit. Er hielt den verbundenen rechten Arm mühsam aus dem offenen Seitenfenster und richtete sie auf den Wachhabenden Soldaten, der auf ihn zukam und dann vor Schreck stehen geblieben war.
„Habt Ihr Tomaten auf den Ohren, oder was? Macht das blöde Tor auf, dalli!“
Nun wagte sich der Soldat langsam ein paar Schritte näher heran.
„Aber Sir, wenn wir jetzt aufmachen, sind wir verloren. Es sind im Moment zu viele da draußen.“
Frazer schoß in kurzer Hand nieder und der Unteroffizier fiel ohne einen weiteren Ton in den Staub.
„Sonst noch jemand? Wer will der nächste sein?“
Frazer fing an zu husten und der Anfall schien nicht enden zu wollen. Dann drehte er sich zu Juri herum und packte diesen am Hemdkragen.
Es kam nur noch ein Krächzen aus dem Mund von Frazer.
„Juri, Junge, Du mußt ihnen befehlen, befehlen... Tor auf.“
Dann sackte er zusammen und die Pistole fiel aus seiner Hand auf den sandigen Boden. Er war ohnmächtig oder vielleicht sogar schon tot. Juri hatte keine Zeit mehr um das genau zu kontrollieren. Aber wie verdammt nochmal, sollte er den Männern das Öffnen des Tores befehlen? Er war nicht ihr Vorgesetzter und wenn sie es schon bei Frazer verweigerten, was sollte er dann machen? Deshalb versuchte er es mit einer List und eventuell in der momentanen Lage konnte es mit Glück klappen.
Er stieg zügig aus und nahm sein Gewehr in Anschlag.
„Macht das Tor sofort auf, Jungs.
Der Kommandeur kommt uns sofort hinterher mit mehr Leuten und wir werden diese Zombies alle vernichten, die unser Lager bedrohen. Wir fahren raus, kehren um und dann kriegen sie auch von hinten Dauerfeuer. So sein Plan. Also, na los, macht schon auf.“
Obwohl diese Behauptung recht weit her geholt war und noch niemand von den anderen zu sehen war, entriegelte ein übereifriger Soldat mit gezückter Pistole das zweiteilige Tor. Als das Schloß zu Boden fiel und die Kette nur noch lose beide Teile des Tores verband, stürzten sich die Massen der draußen wartenden dagegen und es flog krachend auf. Der Soldat feuerte sofort auf die ersten Angreifer aber schnell war sein Magazin leer, obwohl er versucht hatte, immer den Kopf der Zombies zu treffen. Es waren einfach zu viele. Juri sprang in den Hummer und schmiß sein Gewehr nach hinten, sofort gab er Gas. Frazer hing noch immer leblos in seinem Sitz und war keine große Hilfe als Juri durch die Horde von anstürmenden Toten fuhr und Dutzende unter dem Kühler und den Reifen zermalmte. Er war keine zwanzig Meter weit gekommen als fordernde Hände an ihm zerrten und aus dem Wagen ziehen wollten. Er war angeschnallt und somit waren ihre Versuche vorerst zwecklos aber kam auch nicht mehr an seine Pistole im Gürtelhalfter heran. Mit einer Hand steuerte er den Wagen und mit der anderen griff er verzweifelt nach dem Gewehr, welches auf der Hinterbank lag. Gerade als er es ein Stück hervor gezogen hatte, gingen die Augen von Frazer auf. Er zuckte zusammen und sah dann mit emotionslosem Ausdruck Juri ins Gesicht. Dieser schrie vor Schreck auf als Frazer sich in seinem rechten Arm verbiß und ein großes Stück Fleisch heraus riß. Durch den Schock und dem Schmerz abgelenkt, lies Juri das Steuer los und der Wagen schlingerte unkontrolliert dahin, bis er immer langsamer wurde und seine Schreie bald endeten. Dann rollte der Hummer aus und sie fielen über ihn her. Die restliche Meute stürmte ins Lager und die zehn Männer, die noch nicht panisch ihren Posten verlassen hatten, schossen so viele Untote nieder wie sie konnten, aber irgendwann mußten auch sie immer weiter zurück weichen ...