Leseprobe - Science Fiction Geschichten

 

2749 und sein Krieg

 

Es war 04.30 Uhr in der Früh als 2749 seinen Platz in der Arbeitskolonne der B-Schicht einnahm und mit den anderen elf Kollegen gemeinsam einen Shuttlebus zu den Frachthallen bestieg. Die Fahrt dauerte exakt sieben Minuten dann ging die seitliche Tür des grauen Busses wieder auf und alle gingen zielstrebig zu ihren Abteilungen. Nur 2749 wollte an diesem Tag etwas anderes, etwas Außergewöhnliches unternehmen. Seit sechs Jahren schuftete er nun in den unteren Ebenen der Frachtdocks und alle seine Bewerbungen für die mobile Infanterie wurden kategorisch ohne Begründung immer wieder abgelehnt. Selbst als er sich direkt an das Oberkommando wandte, sagte man ihm nur, das halt nicht jeder für die gefährlichen Einsätze auf dem Planeten Kraola im Kampf gegen die außerirdischen Formwandler geeignet sei. Der Krieg gegen diese Welteneroberer dauerte nun schon zweieinhalb Jahre und vielleicht wäre er bald beendet, da einige wichtige zentrale Kommandoposten der Formwandler eingenommen wurden. Sie wurden immer weiter zurück getrieben und es war nur noch eine Frage der Zeit, wann sie ausgerottet waren. Doch die Infanterie nahm nur die besten Soldaten und niemand unter der Stufe zwei wurde genommen. Dies wollte und konnte 2749 so nicht einfach hinnehmen. Er hatte einen Plan entwickelt und sich gut vorbereitet. Nichts sollte dem Zufall überlassen werden. Da er wusste, das er sich auf 2134, seinen einzigen Freund verlassen konnte, wäre da nur noch die letzte Kontrolle in dem militärischen Sektor zu überstehen, wo die Soldaten alle zusammen gezogen wurden und dann in die Frachtschiffe einchecken mussten. Die Ausweise waren alle gut gefälscht und die Uniform unauffällig von 2134 entwendet, ohne das es auffallen würde. Die Waffen bekam jeder Soldat erst beim einchecken im Schiff und da 2749 lange mit einem Übungsgewehr Zuhause geübt hatte, wäre der Umgang damit also kein Problem. Er betrat zuerst seinen Arbeitsplatz und rief dann 1190, einen Hilfspacker zu sich. 2749 sah auf die Uhr.
Ein wichtiger Termin in der Chefetage läge an und er müsse unbedingt für mindestens eine halbe Stunde fort, erklärte er dem Packer.
Dieser nickte kurz und erklärte sich bereit, solange die Aufgaben von 2749 zu übernehmen. Ihm blieben 28 Minuten und 34 Sekunden, bevor jemand stutzig werden würde und bis sich die letzten Frachtluken des Shuttles in Richtung  Sternenkrieg schlossen. Draußen wartete 2134 bereits mit einem offenen, dreirädrigen Elektrobuggy. Er stieg ein und sie fuhren beide ohne Regung in Richtung des Flugfeldes. Kurz bevor die erste Kontrolle in Sicht kam, fuhr 2134 seitlich in einen kleinen Hangar. Dort warteten die Uniform und die Stiefel auf 2749. Er zog sich ohne Hast aber zügig an. Das blaue Abzeichen der mobilen Infanterie vom 7. Regiment, wurde schnell links an die Brust angeheftet, dann fuhren sie wieder hinaus und beide zogen, bevor sie am Schlagbaum ankamen, ihre Ausweise hervor. Ohne Beanstandung öffnete der Soldat die Schranke und salutierte dabei, während sie ihn passierten. Der Elektrobuggy folgte den anderen Fahrzeugen, die sich durch die Gebäudekomplexe schlängelten. Auf dem Flugfeld, wo die wartenden Maschinen standen und ihre hinteren Ladeluken geöffnet hatten, strömten sie Soldaten hintereinander wie die Ameisen und verschwanden im Inneren. 2134 fuhr so nahe wie möglich heran, dann blieb er stehen und reichte 2749 ein letztes Mal die Hand.
„Viel Glück, mein Freund. Ich hoffe, alle Deine Erwartungen werden sich erfüllen und Du wirst das bekommen, was Du Dir ersehnt hast!“
2749 stieg aus und gab 2134 ein kleines Päckchen.
„Ich danke Dir für alles. Ohne Dich hätte ich es nicht soweit geschafft. Hier drin sind alle meine Reichtümer und die Schlüssel. Wenn ich nicht zurückkommen sollte, gehören die Wohneinheit und der kleine Luftroller Dir. Ich werde einen von diesen Formwandlern für Dich ausknipsen.
Leb wohl!“
2134 wollte nicht unnötig auffallen, deshalb wartete er nicht länger und fuhr sofort wieder zurück. 2749 ging mit einem flauen Gefühl in der Magengegend auf den Kommandoposten zu, wo die Soldaten für die jeweiligen Maschinen eingeteilt wurden. Es war die letzte Hürde auf seinem Weg zu den Sternen. 2749 ging in Gedanken noch einmal die gefälschten Daten durch und zwang sich zur Ruhe.
Als er auf die drei ranghöheren Soldaten zuging, ballte sich automatisch seine rechte Hand zur Faust. Vor ihm wurde gerade ein Soldat abgefertigt und stand stramm. Zwei von den Offizieren untersuchten den Zustand seiner Ausrüstung. Der dritte nahm den von 2749 bereit gehaltenen Ausweis entgegen und während er die Daten darauf prüfte, sagte er ohne aufzusehen:
„Wo ist Ihre Ausrüstung, Soldat?“
2134 hatte 2749 darauf vorbereitet und er antwortete:
„Da ich kurzfristig aus meinem Urlaub geholt wurde, sollte ich diese während des Fluges bekommen, Sir!“
Er schaute etwas argwöhnisch auf und lächelte dann aber.
„Das ist mir auch schon mal passiert, Soldat. Los, beeilen Sie sich. Sie fliegen mit der X005. Wir starten in drei Minuten.“
2749 konnte sein Glück kaum fassen. Im Laufschritt folgte er den letzten Nachzüglern in Inneres und sucht sich einen freien Platz. Fast alle Soldaten saßen schon eingekleidet in ihren Kampfmonturen mit den speziellen Kampfhelmen bereit auf kargen Sitzbänken angeschnallt und schauten kaum auf als er dazu kam. Ein Sergeant brüllte gegen den Lärm der aufheulenden Triebwerke Befehle und Anweisungen, die während des Fluges eingehalten werden mussten. Er ging durch die Reihen der starr blickenden Männer und erblickte auf einmal 2749. Die große, hintere Rampe begann sich zu schließen.
„Hey Soldat, was ist denn mit Dir? Wo ist Deine Kampfausrüstung?“
Bevor 2749 antworten konnte, rief der Sergeant einen Soldaten herbei, dem 2749 folgen sollte. Er schnallte sich wieder los und folgte diesen zügig in eine Nebenabteilung des Frachtraumes. Der Soldat versorgte ihn mit Tarnkleidung, Helm und Ersatzmunition. Die Waffen bekamen sie erst kurz vor der Landung ausgehändigt. Dann gingen sie schnell zurück und nahmen ihre Plätze wieder ein. Kaum hatte 2749 seinen Gurt geschlossen, bewegte sich der Gleiter zu der Abschussrampe und rollte langsam an die Andockklammern. Diese klinkten ein und die Rampe neigte sich vertikal in Position. Nun gab es wirklich kein Zurück mehr.
Die Triebwerke dröhnten noch lauter auf und 2749 hatte den Eindruck, jeden Moment würde die zerbrechlich wirkende Hülle des Schiffes durch die starke Vibration bersten. Doch dies geschah nicht. Natürlich kannte 2749 die Prozedur und die damit verbundenen Auswirkungen und Kräfte auf seinen Körper nicht, da er nie ein Training absolviert hatte, doch er wollte sich zusammen reißen, so gut es ging. Fast alle anderen schienen dies alles schon zu kennen und ihre Gesichtszüge drückten höchstens Langeweile oder Desinteresse aus. Der Lärm aus den Triebwerken wurde immer lauter und 2749 hielt sich unsicher an seinem Gurt fest, als ihn plötzlich eine ungeahnte Kraft in den Sitz presste. Die Andockklammern hatten sich gelöst und das Schiff schoss hinauf in den Himmel, immer weiter bis zu den Sternen hinaus. Im ersten Moment blieb ihm die Luft weg und er dachte, er könnte nicht mehr atmen, doch langsam ließen die starken G-Kräfte nach und sein Puls verlangsamte sich wieder. Einer seiner Kameraden schrie fast die ganze Zeit: „Jippiajee!“
2749 wünschte sich, jemand würde demjenigen den Mund stopfen. Doch nach einer Weile hörte der Schreihals von allein wieder auf. Wahrscheinlich ein normaler Adrenalinschub, dachte er. Aber egal, er hatte es soweit geschafft und saß mit einer Infanterieeinheit in einem Schiff und sie waren auf dem Weg zum Feind. Endlich könnte er zeigen, was er drauf hatte. Ein leichtes Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit. Ein gegenüber sitzender, mit Narben übersäter Soldat bemerkte dies.
„Was grinst Du denn so? Das wird Dir noch vergehen, genauso wie dem Schreihals von vorhin. Ihr werdet noch sehen, was auf Euch zukommt. Wenn Ihr bei der Rückkehr, sofern Ihr diese schafft, noch grinst, dann seid Ihr entweder Frontschweine oder jeder ein Toxer.“
2749 konnte sich unter Frontschweinen noch etwas vorstellen, aber was war verdammt noch Mal ein Toxer? Niemand von den gefragten, neben sitzenden Kameraden antwortete ihm darauf. Als 2749 schon aufgeben wollte, hörte er aus den hinteren Sitzreihen eine Stimme.
„Das heißt, Ihr seid dann durchgedreht, übergeschnappt und Irre!“
2749 lehnte sich wieder gegen die harte Rückenlehne und war sprachlos.
Eigentlich dachte er, dass es doch ein riesiger Spaß und mehr eine große Jagd auf die Formwandler sein sollte. Was sollte dann dieses Gerede über Toxer? Sollte dieser Krieg gegen die Formwandler doch schlimmer sein als die Propaganda berichtete? Möglich war alles, doch wollte er sich selbst ein Bild davon machen. Sein Sitznachbar stieß seinen Ellenbogen in die Seite von 2749.
„Du bist neu in der Einheit, oder? Ich habe Dich noch nie gesehen. Wahrscheinlich Frischfleisch. Komm mir bloß nicht in die Quere, Du Anfänger, hörst Du? Fehlt mir noch, dass einer von Euch Flacheiern mir aus Versehen in den Rücken schießt, vor lauter Nervosität!“
2749 wollte niemanden in die Quere kommen, doch er sagte nichts darauf. Ein kurzes Nicken von ihm und sein Nachbar schien beruhigt. Nach fünf Stunden Flugzeit wurden die Waffen ausgegeben und 2749 hielt zum ersten Mal in seinem Leben eine KR4 in seinen Händen. Sie war deutlich schwerer als seine Übungswaffe und besaß seitlich je ein Magazin, welche erst kurz vor der Landung geladen wurden. Jedes Magazin hatte einhundert Schuß und 2749 war sich sicher, damit gut gerüstet zu sein. Man konnte Einzel- oder Dauerfeuer mit einem kurzen Klick umstellen.
Dazu bekam noch jeder drei Handgranaten, die am Kampfgürtel befestigt wurden. Genug Wums um einen Panzer zu knacken, so die Gerüchte. 2749 wusste nicht ob die Formwandler überhaupt Panzer oder Fahrzeuge hatten, aber er wollte seine Kameraden nicht danach fragen um nicht noch mehr Aufmerksamkeit als schon geschehen, auf sich zu ziehen. Also schwieg er weiter und wartete auf den Moment der Landung auf Kraola. Fünf Minuten, bevor sich die Ladeluke öffnete, packte ihn ein unbekannter Soldat am Arm.
„He Greenhorn. Paß auf. Diese Wandler können jede Form annehmen, die sie in Deinem Gehirn finden. Laß Dich nicht verunsichern, die sind gerissen. Verdammt gerissen sind die!“
Er stand auf und schob sich an 2749 vorbei und reihte sich in die Gruppe der bereits aufgestandenen Einheit, die zuerst den Planeten betreten sollte. 2749 meinte, das er die Nr. 1990 trug.
Vielleicht bräuchte er dort draußen später einen Freund und 1990 war bislang der freundlichste von allen gewesen, die er getroffen hatte. Er würde ihn, wenn es ging, im Auge behalten. Der Sergeant brüllte plötzlich wieder durch das Schiff und alle stellten ihre Gespräche ein und hörten zu.
„Hört mir zu, Männer. Ihr seid das Einzige, was die zivilisierten Planeten noch als Schutz aufzubieten hat, bevor diese ekelhaften Formwandler auch unsere Galaxie überfallen und einnehmen. Seid mit allen Sinnen dabei und vertraut auf nichts und niemanden. Bleibt vorerst bei Eurer Einheit, wenn es geht und schlagt Euch nicht allein durch das Gelände. Diese Mistdinger können wie Ihr wißt, jede Gestalt annehmen. Es sind teuflische Kreaturen und sie wollen uns vernichten, also keine Gnade, egal was kommt. Verliert ja nicht Eure Waffen, das ist das einzige, was Ihr zur Verteidigung habt. In genau zwölf Stunden landet dieser Transporter wieder hier und nimmt die restliche Einheit auf. Wer zu spät kommt, hat Pech gehabt. Los, gebt ihnen Saures!“
Die große Rampe fuhr langsam auf und das erste was 2749 wahrnahm, war der Geruch, der herein strömte. Nach den Stunden im Schiff mit der künstlichen Luft war dieser Geruch einerseits angenehm aber auch teilweise störend süßlich. Als wenn man zulange an einer Tüte mit Karameldrops gerochen hatte. Die Männer vom Spähtrupp stürmten die Rampe hinunter und wurden sogleich von Sperrfeuer eingedeckt. Zwei von ihnen fielen noch, bevor sie den fremden Planeten betreten hatten. Die Landezone war mehr als heiß und scheinbar schlecht gewählt. Aber die Computer übernahmen die Koordinaten der ausgesuchten Landezonen. Die anderen Soldaten verteilten sich sofort und waren kurz darauf außer Sicht. Dann kam das Signal für die restlichen Soldaten im Schiff. 2749 hielt sich an die anderen und schaute sich ihr Verhalten ab. Kampf unerfahren machte er alles den anderen nach. Er landete kurz darauf mit dem Gesicht in einem heißen Sandhaufen, während noch immer die Kugeln des Sperrfeuers um sie herum einschlugen. Der Sergeant und die anderen Offiziere verteilten sich mit Gruppen von Einheiten zwischen den seichten Hügeln aus Sand und dabei schrien sie Befehle, fast ohne Pause.
Der ganze verdammte Planet schien nur aus Sand zu bestehen.
2749 spürte brennende Sandkörner auf dem Gesicht und ein heißer Hauch rauschte ihm um die Ohren als er den Kopf erhoben hatte und bemerkte, wie das Landungsschiff unter schwerem Beschuß wieder abhob und sich entfernte. Nun waren sie ohne Hilfe auf sich allein gestellt, dachte er. Kaum war das Schiff verschwunden, begann der Feind mit Artilleriefeuer. Zuerst noch entfernt, dann immer näher kamen die Einschläge, die jedes Mal einen Berg von Sand versprühten. 2749 und drei Soldaten in seiner Nähe wagten nicht, sich zu bewegen. Doch dann trat ein schwerer Stiefel in das Hinterteil von 2749.
„Los Ihr feigen Säcke. Wollt Ihr Euch wohl bewegen? Der Feind braucht dreißig Sekunden zum nachladen der Geschütze. Auf, na los!“
2749 rannte geduckt mit den drei Kameraden in Richtung einer in Sicht kommenden Gebäudeeinheit, die hell im Sonnenlicht glänzte, auf der aber kein Feind zu sehen war. Die flachen Stahlbauten, die wie Juwelen aus dem Sandboden heraus ragten, sahen wie Depots oder Lagerhallen aus. Zwar waren die drei Tore an der Vorderseite geschlossen, aber trotzdem boten die Gebäude ein wenig Schutz vor dem Beschuß. Der Leutnant, der 2749 getreten hatte, war beschäftigt, er blieb zurück und verlor die vier aus den Augen. 2749 schaute sich die anderen drei an und nur einer von ihnen war erfahren genug, um sie zu führen. 0269 übernahm die Spitze und wollte in die Gebäude eindringen. Die anderen sollten draußen auf ihn warten und dann bei reiner Luft nachkommen. Sie schlichen an der Hinterseite ganz nahe an den Wänden entlang und ein merkwürdiges, leises brummen, wie von einer elektrischen Aufladung war zu spüren. Als 2749 die Wand berührte, zuckte er zurück. Ein kleiner elektrischer Schlag war die Antwort. 0269 hielt abrupt an und zog einen kleinen Taschenlaser hervor. Ob dieser zu der normalen Ausrüstung gehörte, bezweifelte 2749. Auf der Hinterseite war nur ein milchiges Fenster vorhanden und 0269 setzte sein Gerät darauf an. Nach einer Weile fiel ein Stück der Kunststoffscheibe heraus und leise in den heißen Sand. 0269 schlängelte sich geschickt durch die schmale Öffnung. Die anderen schauten sich ängstlich um und hielten die Umgebung im Auge.
Immer noch von dem kleinen Gerät fasziniert, starrte 2749 durch Öffnung und einen Moment konnte er 0269 noch erkennen, dann war er im Dunkeln verschwunden. Es vergingen ein paar Minuten, dann hörte 2749 Schüsse. Es klang, als wenn eine ganze Garnison in der Lagerhalle war. Schüsse und laute Schreie von 0269 vermischten sich. 2749 nahm allen Mut zusammen und kletterte hinterher. Die anderen trauten sich nicht und blieben zurück. Es war sehr dunkel im inneren und nur durch ein paar Schlitze im Dach und den großen Toren an der Vorderfront drang ein wenig Licht ein. 2749 ging vorsichtig ein paar Schritte und stand plötzlich vor einer stählernen Treppe, die spiralförmig nach oben führte. Er folgte ihr langsam und hielt sein Gewehr dabei im Anschlag. Erst jetzt merkte er, dass der Lärm aufgehört hatte und nur noch die Geräusche seiner schweren Stiefel auf den einzelnen Stufen zu hören waren. Er blieb stehen und lauschte. Es drangen nur die gedämpften Geräusche der Granateinschläge von draußen herein. Sonst war nichts zu hören. So leise wie möglich ging er weiter und erreichte die obere Etage. Dunkle Umrisse starrten ihm entgegen. Nach einem Moment erkannte er darin quadratische bis an die Decke reichende Datenschränke, die in einem Abstand von rund zwei Metern nebeneinander gereiht waren. Dann fiel in der Nähe etwas schweres, dumpf zu Boden. Er wagte nicht, nach 0269 zu rufen. Er aktivierte den Ziellaser vom Gewehr und der rote, dünne Strahl durchdrang die Dunkelheit. Etwas huschte kurz durch das Licht. Es war nicht zu erkennen, worum es sich handelte. Nun konnte 2749 nicht mehr anders, als sich bemerkbar zu machen um nicht seinen Kameraden aus Versehen zu treffen.
„O269, wo steckst Du? Bist Du verletzt?“
Niemand antwortete ihm.
Wieder Geräusche zwischen den dunklen Ungetümen von Schränken. Das flaue Gefühl in der Magengegend wurde nun noch von schwitzigen Händen begleitet. 2749 legte den Sicherheitsriegel am Gewehr um und wartete. Diesmal kam das Geräusch von hinten, er drehte sich blitzschnell um und drückte auf den Abzug. Eine Folge von 9 bis 12 Schüssen knallte aus der Waffe. Ein Schrei und ein Körper fiel zu Boden.
2749 folgte den Geräuschen und fand einen Körper verdreht vor einem der Schränke am Boden liegen. Die Salve hatte die Außenwand seitlich der Schränke durchsiebt und nun fiel mehr Licht ein. Am Boden lag 0269 und blutete aus mehreren Wunden. Sein Kopf war leicht auf die Brust gesunken, aber dennoch konnte 2749 ihn erkennen. Allein schon an dem blauen Abzeichen der 7.ten Infanterie. 2749 kam näher und kniete sich vor seinen Kameraden, dabei legte er seine Waffe zu Seite.
„Oh nein, 0269. Das wollte ich nicht. Verdammt, wie konnte das nur passieren? Warum hast Du Dich nicht gemeldet, als ich rief?“
Der Soldat am Boden hob seinen Kopf und starrte 2749 wütend an.
„Wie konntest Du das nur tun? Auf Deinen eigenen Kameraden schießen? Sind wir nicht wie Freunde, wir beide? Haben wir beide nicht schon genug zusammen erlebt, häh?“ Dann grinste er komisch.
Ein unsichtbarer Ruck ging durch 2749. Was redete der Mann da nur? Er hatte ihn doch erst vor kurzem das erste Mal gesehen.
„Du musst mich zu den vorderen Linien bringen, jetzt gleich!“
„Warum nicht zurück, zu unserem Sanitäter?“
„Ich muss nach vorne, unbedingt. Bring mich sofort dahin. Hilf mir auf.“
2749 half ihm hoch, doch kam ihm die ganze Sache komisch vor. Außerdem drängte sich ein unangenehmer Geruch in seine Nase.
Vielleicht war 0269 durch die Verletzung verwirrt und hatte einen Gedächtnisverlust?
„Wo ist Deine Waffe, 0269?“
„Habe ich wohl verloren, ist doch egal. Wir müssen uns beeilen!“
2749 nahm sein Gewehr auf, hängte es sich um und fasste seinen Kameraden um die Hüfte. Dieser legte seinen rechten Arm um 2749 und hielt sich so fest. Sie humpelten beide so in Richtung Treppe als 2749 durch das nun mehr einfallende Licht etwas zwischen den Schränken liegen sah. Ein paar Stiefel schauten dort heraus.
„0269, warte einen Moment. Was liegt da vorn?“
„Es ist einer von diesen Formwandlern. Ich habe ihn erwischt. Schnell, laß uns hier raus. Es sind noch mehr von denen hier versteckt.“
„Den möchte ich mir mal ansehen, halte Dich am Geländer fest.“
„Nein, auf keinen Fall. Du wirst noch genug von denen sehen. Komm, wir müssen weg von hier!“
Doch 2749 wollte sich unbedingt die Leiche ansehen, um den Feind in Ruhe ins Angesicht schauen zu können. Er löste sich von 0269 und ging auf die Leiche zu. Er kniete sich hin und drehte den leblosen Körper auf den Rücken um in das Gesicht sehen zu können. Ein Schock. Er schaute ...