Leseprobe - Science Fiction Geschichten

 

Space-Race

 

Die allgemeinen Bedingungen und Klauseln hatten sie alle unterschrieben und nun konnte niemand mehr zurück treten oder es sich einfach anders überlegen. Jeder, der ein zweisitziges Schiff mit Hyperantrieb besaß und unter fünfzig Jahre alt war, durfte teilnehmen. Natürlich nur, wenn er auch die medizinische Untersuchung bestand. Frauen und Männer, sogar Androiden waren zugelassen. Voraus gesetzt, sie waren kein Eigentum eines Menschen. Die Teilnehmerzahl war nicht begrenzt und so tummelten sich an die fünfundsiebzig kleine Rennjäger in der Warteschleife des Erdenmondes. Dort war der Start wie auch das Ziel. Es gab keine weiteren Regeln, außer das die Teilnehmer die äußeren Eisringe des Ganimed umrunden und nach 16 Stunden zurück sein mussten. Die Zeit war knapp bemessen, da der Ganimet zwar im Zeitfenster des nähesten Abstands zur Erde war, aber trotzdem musste vorher ein Asteroidenfeld durchflogen oder umrundet werden. Was aber zuviel Zeit kostete. Mit vollem Schub war dort kein durchkommen. Zwar waren die Schiffe mittlerweile viel besser gepanzert als noch vor fünfzig Jahren, aber die Gesteinsbrocken konnten trotzdem jedes Schiff, richtig erwischt, pulverisieren. Sie flogen unkontrolliert und mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten und waren deshalb sehr gefährlich. Wenn man zu langsam war, konnte einem einer dieser Brocken zu nahe kommen, während man sich auf einen anderen konzentrierte. Und wenn man zu schnell war, konnte man ihnen nicht mehr rechtzeitig ausweichen. Aber all dies schreckte die Teilnehmer nicht ab. Sie wollten gewinnen und nicht nur den Ruhm einstreichen sondern auch als Gewinner in den Genuß kommen, ein Jahr lang, leben zu können wie ein Gott. Es gab keine normalen Geldwährungen mehr, nur noch Krediteinheiten. Aber man stieg für ein Jahr auf, in die oberen Ebenen zu den Reichen und Schönen. Jeder Wunsch wurde ohne Fragen erfüllt. Frauen, Männer, Flugzeuge, die neuesten Pneumomobile, Wasserboote, Raumschiffe und alle Annehmlichkeiten, die die Erde zu bieten hatte.
Soviel wie man aushalten konnte. Ein Jahr lang war man König oder Königin eines Eilands. Man bekam eine eigene Insel in der Karibik, inmitten des besten Klimas. Ein künstliches Atoll, die natürlichen waren längst versunken, bot einem alle irdischen Genüsse. Man konnte tun und lassen, was man wollte. Eine Heerschar von Dienern und Dienerinnen stand für einen bereit. Dies alles war Anreiz genug für viele ihr Leben zu riskieren. Der Gewinner bekam alles, die Verlierer, die überlebten, wurden für fünf Jahre für alle folgenden Rennen gesperrt. Und wenn man ein paar Mal teilgenommen und immer wieder verloren hatte, wurde einem die Zeit knapp. Das fünfzigste Lebensjahr war schnell erreicht und die Gesundheit musste ja auch noch mitspielen. Jedes Raumschiff wurde mit mehreren äußerst robusten Kameras ausgestattet und diese liefen während des ganzen Rennens mit, damit die Verantwortlichen auch auf ihre Kosten kamen und natürlich um jegliche Mogelei auszuschließen.
Die Piloten waren bereit und warteten bereits ungeduldig auf das Startsignal. Mit ledernen Handschuhen umhüllte Hände, verkrampften sich um Konsolen und Steuerjoysticks. Nervöse Füße traten unruhig auf die Gaspedale. Der Präsident der drei bewohnten Planeten gab den Startschuß indem er durch Knopfdruck auf dem Mond eine gigantische Signallampe auf grün schaltete. Fast gleichzeitig rauschte der Schwarm der kleinen Schiffe davon. Erst hinter dem Mars durfte der Hyperantrieb dazu geschaltet werden, aber auch immer nur für fünf Minuten. Ein nachträglich eingebauter Nanoschalter sorgte dafür. Mit dieser Absicherung war jeder Jäger ausgerüstet, damit die Chancen gleich standen. Zwei Maschinen blieben am Start zurück. Ihre Turbinen waren schon überhitzt und schalteten automatisch ab. Sie wurden disqualifiziert. Ein Notschlepper brachte sie sicher mit ihren Maschinen zurück auf die Mondbasis. Ein Pilot nahm sich kurz darauf das Leben, weil er mit seinen 49 Jahren seine letzte Chance vertan hatte und der andere wurde für 24 Stunden eingesperrt, weil sein Tobsuchtsanfall nicht enden wollte. Nach diesen Vorfällen konzentrierten sich nun alle auf die noch restlichen 73 Piloten und ihren Maschinen.
An der Spitze flog ein Veteran. Er war mit seinen 46 Jahren nun der älteste und auch der erfahrenste unter ihnen. Er hatte schon fünf Mal teilgenommen und das letzte Mal war er nur knapp gescheitert weil sein Antrieb überhitzte und kurz vorm Mars auf der Heimroute ausfiel. In jedem Rennen hatte er sich verbessert und er kannte die Gefahren des langen Fluges nur zu genau. Diesmal wollte er es in seinem letzten Rennen, ordentlich zuende bringen.
Das große Ereignis des 22. Jahrhunderts, welches einmal pro Jahr abgehalten wurde, hatte begonnen und auf der ganzen Erde verfolgten die Zuschauer über Großraumbildschirme oder Zuhause auf ihren eigenen Geräten, das Rennen. Wetten wurden abgeschlossen auf die einzelnen Piloten, obwohl der Ausgang jedes Mal mehr als ungewiß war. So viele Faktoren spielten dabei mit, dass niemand mit Bestimmtheit einen Sieger vorher sagen konnte. Bis zum Mars führte der Veteran namens Braak die Spitze an, dicht gefolgt von einer jungen Frau mit dem Namen Leia. Sie hatte sich fest vorgenommen, diesmal als Siegerin zurück zu kommen. Ein Stück hinter ihr hatte sich ein junger Mann Namens Bejun an die beiden gehängt. Wenn sie erst einmal in den Hyperraum eingetreten waren, konnte man nicht mehr viel erkennen. Erst wenn sie wieder aus dem Lichttunnel heraus kamen, wurde es wieder interessant. Gerade als Braak umschalten und eintreten wollte, schoss die junge Leia an ihm vorbei. Es war riskant und beinahe hätte sie seine rechte Flügelspitze berührt, doch es ging gut und sie verschwand mit einem hellen Blitz in der Anomalie. Braak war der nächste und gleich dahinter folgte Bejun. Als alle drei verschwunden waren, kam erst der restliche Troß an den Absprungpunkt. Es schien den Zuschauern, als wenn diesmal die Entscheidung zwischen den drei Kandidaten fallen könnte. Vielleicht, aber es war eigentlich noch zu früh um Prognosen stellen zu können. Inmitten des Hypertunnels konnte Braak feststellen, das die Nr.4 nicht den perfekten Eintrittswinkel erwischt hatte und so zog er wieder an dem Jäger vorbei. Der kleine Vorsprung war somit wieder dahin.

Dann waren sie durch und Braak wie auch Leia verließen den Hyperraum und rauschten an den letzten Brocken vom Asteroidenfeld, welches den äußeren Ring des Sonnensystems umschloß, vorbei. Nur mit Glück kam Leia ohne Schäden davon. Braak profitierte jetzt schon von seiner Erfahrung und steuerte seinen Jäger ohne Probleme hindurch. Auch Bejun schloss schnell wieder auf und hing an den beiden dran. Kurz hinter ihnen erschienen langsam auch die anderen Piloten, teilweise hatten sie aber nicht soviel Glück wie die drei ersten. Zwei wurden gleich nach dem Austritt von Felsen pulverisiert und einer verlor sein Seitenruder und steuerte ohne Kontrolle direkt auf einen leblosen Trabanten in der Nähe zu, der ein viertel des Monddurchmessers besaß. Obwohl die Bremsdüsen sofort zündeten, zerschellte er auf der Oberfläche. Nun war es eine runde Zahl von siebzig Teilnehmern geworden. Bejun hatte eine ältere Maschine, sie war aus mehr oder weniger guten Schrotteilen zusammen gesetzt. Der Antrieb war auch älter aber komplett vor dem Rennen überholt worden. Er hatte sich lange auf dieses Rennen vorbereitet und vor seinen Freunden großspurig angegeben, dass der diesjährige Sieger, Bejun Kamman, Sohn des Igidor sein würde. Er musste einfach gewinnen, denn die Schmach bei einem Versagen, wäre mehr als peinlich für ihn gewesen. Er wollte an den beiden dran bleiben, egal was passierten würde. Das Mädchen mit der Startnummer vier sollte keine größeren Probleme machen, nur der alte Knabe war gefährlich. In dem Alter wog die Verzweiflung schwer und es würde seine letzte Chance sein teilnehmen zu dürfen. Diesen Gegner durfte Bejun nicht unterschätzen. Doch als letzte Notmaßnahme hatte er ja noch einen selbstgebauten Störsender dabei, der den Computer des Gegners erheblich beeinträchtigen konnte. Jedenfalls waren dies die Erkenntnisse seiner Versuche gewesen. Es war strengstens verboten solche Geräte einzusetzen, aber zur Not würde er seines mit Sicherheit benutzen. Er war zu allem bereit, aber er hatte wahrscheinlich nur einen Versuch und er musste nahe heran kommen. Und wie lange es funktionieren würde wusste er auch nicht genau. Ein Restrisiko blieb.

Auf den Anzeigen konnte er erkennen das der restliche Schwarm etwas hinter ihnen war und kaum näher kam. Scheinbar hatten die drei die besten und schnellsten Maschinen in diesem Rennen. Er gab Gas und näherte sich der Nr.vier. Während er schon fast neben ihr war und ins Cockpit schauen wollte, zündete sie plötzlich ihren Nachbrenner und zog davon. Jede Maschine hatte einen, aber jeder Pilot musste selbst entscheiden wann er ihn einsetzte, da der Treibstoff nur für maximal fünfzehn Minuten reichte, bei dem kleinen Zusatztank. Nun gut, sie hatte sich bereits zu dieser frühen Stunde dafür entschieden, dachte er. Aber er selbst wollte seine Reserven noch aufsparen.
Braak mit der Startnummer 27 hatte sich einen guten Vorsprung heraus gearbeitet und flog einsam an der Spitze. Ständig überprüfte er die Instrumente und Anzeigen damit nichts schief gehen konnte. So gut wie dieses Mal hatte er sich noch nie auf das Rennen vorbereitet. Körperlich wie auch mental war er topfit, noch war er ruhig. Die Anspannung würde erst wieder steigen wenn er in den Asteroidengürtel vor Ganimed flog. Er wollte auf jeden Fall mitten durch und nicht den weiten Weg drum herum fliegen. Das Risiko war hoch aber durchaus kalkulierbar. Er bemerkte auf dem Schirm, dass die Startnummer vier sich ihm langsam näherte. Blaue Rückstossflammen züngelten bei dem Verfolger heraus und er wusste das der Pilot, nein, es war eine junge Frau wie er der Starterliste entnahm, den Nachbrenner gezündet hatte. Kurz darauf wurde der Booster wieder ausgeschaltet und Leia flog fast parallel neben ihm. Langsam schob sich das Schiff an ihn heran und er konnte die Pilotin kurz neben sich sehen, wie sie zur Seite schaute und ein kleines Lächeln bei ihr erkennen. Ein schneller Scan von ihm erwies sich aber als nutzlos, ihr Schiff schien gut gepanzert und abgeschirmt zu sein. So konnte er nicht feststellen, ob sie noch Reserven im Treibstofftanks des Nachbrenners hatte. Also konzentrierte er sich wieder aufs Ziel und hielt ein wenig Abstand zu ihrem Schiff. Sie übernahm die Spitze und vergrößerte leicht ihren Vorsprung. Ein Blick auf den anderen Gegner und er sah das auch dieser ein Stück näher heran gekommen war.
Durch das nebeneinander turteln, hatte Braak die Geschwindigkeits-anzeige ein wenig aus den Augen verloren. Er drückte auch wieder mehr aufs Tempo. Leia hingegen war guten Mutes und froh das sie sich noch eine kleine Reserve im Nachbrennertank gelassen hatte, diese würde sie erst auf dem Heimweg benötigen. Die Energieansammlung war wieder komplett und sie drückte auf Hyperraumflug. Noch einmal wollte sie sich keine Blöße geben und sich dort überholen lassen. Eine Maschine nach der anderen rauschte in den Energietunnel. Diesmal war alles optimal und die Instrumente zeigten keine Probleme an. Sie wollte nicht nur, sondern sie musste einfach gewinnen. Allein schon für Celi, ihre kleine Tochter. Nachdem ihr Ex-Mann die beiden verlassen hatte, ging alles den Bach runter. Sie arbeitete nebenbei in vielen Jobs und ackerte für wenig Gegenleistung oft auch nachts in irgendwelchen Spelunken oder Toiletten-
häusern. Obwohl die Robots schon eine Menge Arbeit wegnahmen, fand sie immer wieder jemanden der diesen Blechdosen nicht traute und lieber einen Menschen zum Putzen haben wollte. Doch irgendwie reichte die Versorgung vorne und hinten nicht mehr und allein für Celi wollte sie es tun. Die Kleine würde dann nach dem Sieg mit auf das karibische Eiland kommen und wenigstens für ein Jahr wie eine Prinzessin leben können. Der Kredit für den Jäger war hoch und wenn sie versagte würden die Kredithaie sie umbringen. Nach dem Sieg könnte sie genug Krediteinheiten durch Werbung und durch die Erlebnisse im Rennen einnehmen, um alles abzuzahlen. Das wichtigste in ihrem Leben war nun der Sieg im Space Race geworden. Sie hatte alles auf eine Karte gesetzt und sich den besten und teuersten Rennjäger den es zurzeit gab, ausgesucht. Außerdem ließ sie sich noch zusätzlich von ihrem Bruder einen kleinen Zusatztank für den Nachbrenner einbauen. Dieser war so gut versteckt, das die Kontrolleure ihn nicht bei der Abnahme gefunden hatten. Er würde sich später mit Sicherheit noch als nützlich erweisen. Sie musste einfach gewinnen. Es gab keinen zweiten oder dritten Platz dabei. Sie hatte sich damals viel von ihrem Ehemann, einem ehemaligen Piloten, abgeschaut. Er gab ihr eine Menge Tipps und einige Tricks brachte er ihr auch bei. Sie fand sich gut gerüstet.

Wieder verließen sie den Hyperraum und flogen an mehreren Gasplaneten vorbei. Ein viertel der Strecke lag nun hinter ihnen und die Spitze mit den drei Jägern rauschte unmittelbar verfolgt vom Rest der anderen Schiffe dicht an einem Kometen vorbei. Hin und wieder kam Braak nahe an Leia heran, aber sie hielt stur dagegen und blieb vorn. Kurz darauf tauchten sie wieder ein und beschleunigten auf Hyperwharb. Als sie aber diesmal aus dem Farbentunnel heraus schossen, gerieten sie in einen Gravitationsnebel. Die Instrumente fielen teilweise aus und die Navigation war kaum noch möglich. Braak, als der erfahrenste unter ihnen, machte das fast unmögliche möglich und fand einen Weg wieder heraus. Die anderen beiden folgten ihm fast blind und schafften es auch. Als der restliche Schwarm auftauchte, war der Nebel schon weiter gezogen und sie konnten ihm leicht ausweichen. Nun hatte die Horde der Verfolger wieder aufgeschlossen und war dicht hinter ihnen. Die drei führenden holten alles aus ihren Jägern heraus und vergaßen dabei nicht, immer wieder die Treibstoffanzeige im Auge zu behalten. Bei ständiger Höchstgeschwindigkeit, vorausgesetzt der Antrieb spielte dabei auch mit, würde der Treibstoff kaum noch für die Rückkehr reichen. Es brauchte dann nur noch ein unberechenbarer Vorfall geschehen oder ein kleiner Umweg und man war erledigt. Während die anderen noch mit den Berechnungen für den nächsten Hypersprung beschäftigt waren, überprüfte Braak seine Maschine nach Beschädigungen und korrigierte seinen Kurs erneut um ein paar Grad. Er wollte den optimalen Austrittswinkel im Asteroidengürtel erwischen. Er kannte die Strecke gut und obwohl die Rotation und der Stand der einzelnen Brocken nicht genau auszurechnen war, wollte er das Unglaubliche wagen und sich fast inmitten des Gürtels schleudern. Nur so konnte er seiner Meinung nach einen respektablen Vorsprung heraus holen. Das Mädchen schien die beste und neueste Maschine von ihnen allen zu haben und der Knabe war auch sehr verbissen dabei. Er wollte kein Risiko eingehen oder sie unterschätzen.
Schon einmal, vor zehn Jahren, überrundete ihn ein Gegner den er schon abgeschrieben hatte. Das Signal ertönte. Es ging wieder los und er wurde in seinen Sitz gepreßt. Bejun hatte nach dem kleinen Zwischenfall mit dem Nebel Probleme mit seiner Navigation und er musste sich an den Veteranen hängen um nicht den Anschluß zu verlieren. Wenn einmal die Anzeigen wieder funktionierten, bemerkte er jedes Mal, dass der alte Pilot auf Kurs war und diesen sogar hin und wieder noch optimierte. Wenn er dran bleiben konnte, würde der Kerl ihn direkt auf dem kürzesten Weg zum Ziel bringen. Daran hatte er keinen Zweifel, der alte Knabe war der Garant für seinen Sieg. Zwar war er noch immer nur auf dem dritten Platz aber seine Chance würde kommen. Die Farben leuchteten wieder und er wurde in den Hyperraum gezogen. Braak rauschte als zweiter wieder heraus und war mit dem Kurs zufrieden. Optimaler ging es nicht. Hauptsache kurz vor Ganimed würde es auch so sein, dachte er. Er lehnte sich zurück und erlaubte sich einen Moment in die Vergangenheit abzutauchen. Vor drei Jahren hatte ihn seine Frau verlassen weil ihm nicht nur die Veteranenprämie aus dem Sternenkrieg von 2030 gestrichen wurde, sondern auch weil sein letzter Job ihr unwürdig erschien. So hatte sie es wohl ausgedrückt, als sie mit dem Koffer an der Tür nach draußen stand. Das Taxi wartete schon und sie nahm außer dem Koffer und den Hund auch ein Stück seines Lebens mit. Er hatte sich nie wirklich davon erholt. Er liebte sie noch immer so sehr, wie am Tag ihrer Hochzeit. Wenn er diesmal nicht gewinnen sollte, dann wäre alles umsonst und er würde sich eher mit seinem Jäger in die Sonne stürzen, als so weiter leben zu müssen. Wenn er den Sieg davon trug, käme sie vielleicht wieder. Vielleicht. Er riss sich zusammen und konzentrierte sich erneut auf die noch vor ihm liegende Strecke. Die Stunden gingen dahin und bald hatten sie die Hälfte der Strecke geschafft. Sie kamen nun in das Paragonsystem mit seinen drei Sonnen. Nur ein direkter Kurs zwischen den Sonnenwinden hindurch, garantierte den Schutz der Hitzeschilde und keinen totalen Systemausfall. Braak kannte dies alles schon und war gerüstet.
Er machte sich bereit. Leia war selbstsicher und vertraute auf das neue Schiff mit den verstärkten Schilden.
Bejun hingegen sträubten sich schon leicht die Nackenhaare, wenn er an sein zusammen geschustertes Schiff aus Schrotteilen dachte. Eine undichte oder kaputte Naht in der Außenhülle und er würde ziemlich in Schwierigkeiten geraten. Vielleicht konnte er im Windschatten des alten Mannes fliegen und so das schlimmste verhindern. Er wollte es versuchen. Leia hielt sich allein seitlich von den beiden auf, während Bejun nun immer dichter an den Jäger von Braak heran kam. Ein Stück tiefer und er käme in den Rückstoß der Turbinen, mit schwitzigen Händen nahm er kleine Kurskorrekturen vor. Die Hitze war schon spürbar und seine Navigation spielte endgültig verrückt. Braak bemerkte die Klette hinter sich und er hoffte nur das der Knabe ihn nicht touchieren würde. Dann kämen sie beide von dem Idealkurs ab und hätten ein ernstes Problem. Während der ganzen Zeit waren die Kameras immer mitgelaufen und die Zuschauer verfolgten gespannt das Kopf an Kopf Rennen. Doch für die Dauer der Sonnendurchquerung bekamen die Zuschauer fast nur Rauschen und Störungen präsentiert. Die elektromagnetischen Aufladungen waren ein zu großer Störfaktor für die Kameras. Die Hitzeschilde begannen zu glühen und die Piloten beteten heimlich, ohne Probleme durch zu kommen. Leia setzte sich dann doch an die Spitze und die beiden anderen flogen in ihrem Windschatten. Ihr Hitzeschild hielt ohne weiteres die Temperaturen aus und auch bei Braak verlief die Passage reibungslos. Nur Bejun musste mit ansehen, wie immer mehr von seinen Systemen den Geist aufgaben. Aber der Antrieb und die Kühlzellen hielten im Moment noch durch. Alles Unnötige schaltete er ab und hoffte keinen Totalausfall zu bekommen. Nach einer den Teilnehmern vorkommenden unendlich langen Zeit, waren sie endlich durch und die Hitze nahm wieder ab. Bejun atmete erleichtert auf und streichelte dankbar über seine Konsolen. Braak löste sich sofort aus der Formation und mit einem Schubstoß setzte er sich an die Spitze. Leia war versucht, ihre Reserve vom Nachbrenner zu zünden, doch im letzten Moment nahm sie die Finger wieder vom Hebel und zwang sich zur Geduld. Nun konnten sie endlich wieder in den Hyperraum eintreten und die Distanz bis zum Ziel verkürzen.
Bejun schaltete wieder die Zusatzaggregate ein und drückte die Daumen, dass sie nicht versagen würden, doch auch sein Sprung gelang sofort.
Wie der Rest des Schwarms durch die Sonnenwinde gekommen war, konnten noch nicht Mal die Zuschauer weit entfernt, auf ihren Bildschirmen mit verfolgen. Nur die Piloten die mit flogen, waren Zeuge.
Ein halbes Dutzend kam den Sonnen zu nahe, entweder waren sie verglüht oder trieben ohne Antrieb durchs All dahin. Einer verlor seinen kompletten Hitzeschild und die Maschine verschmorte geradezu während des Fluges in Sekunden. Zwei hatten eine Kollision miteinander und rauschten direkt in die glühenden Sterne. Der Rest kam mehr oder weniger ohne Defekte durch. Einundsechzig blieben übrig. Immer noch zu viele um sich zurück lehnen zu können, dachte Bejun als er die restlichen Punkte auf dem Schirm hinter sich zählte. Nach ein paar weiteren Sprüngen war es endlich soweit. Braak checkte ein letztes Mal den Kurs und machte sich bereit inmitten des Asteroidenfeldes zu stoßen. Leia wollte kurz vorher heraus kommen und sich dann zügig aber vorsichtig durchkämpfen. Auf keinen Fall aber, würde sie dort herum fliegen und kostbare Zeit verlieren. Sie beschleunigte noch einmal und zog langsam an Braak vorbei. Bejun hingegen hatte keine Wahl mehr und hängte sich ziemlich dicht an Braak. Seine Instrumente liefen schon fast auf Notstrom und würden nicht mehr ewig durchhalten. Seine einzige Chance war der alte Mann vor ihm geworden. Wie eine Klette wollte er sich festbeißen, bis zu dem Zeitpunkt, wo er allein weiter konnte. Dann müsste er sich etwas einfallen lassen, wie er die beiden Kontrahenten loswerden konnte. Doch erst einmal kam Ganimed und die unzähligen Gesteinsbrocken, die es zu überwinden galt. Alle drei waren angespannt und preßten sich in ihre Sitze. Vielleicht war dies nun der wichtigste Sprung überhaupt vom ganzen Rennen. Ein Fehler und man war Geschichte. Das Energietor öffnete sich und alle drei wurden hintereinander hinein gezogen. Als erste kam Leia heraus und bremste wieder leicht ab um besser ausweichen zu können. Die ersten Brocken rauschten schon an ihrem Cockpit vorbei ...